Kurzfilm: Rachmaninov Piano Concerto No. 4 in G Minor
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Kurzfilm: Rachmaninov Piano Concerto No. 4 in G Minor

Bild von Tom Stolzenberg
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Den russische Pianist Daniil Trifonov und sein neues Album „Destination Rachmaninov – Departure“ (Release: 12. Oktober) ist weltweit der erste 27jährige Grammy-Gewinner. Derzeit der absolute Klassik-Shooting-Star und wird als der „neue Chopin“ gehandelt. Zum Album-Release ist jetzt ein enorm aufwändig produzierter Kurzfilm erschienen. Ihr könnt ihn euch direkt unter diesem Text in voller Länge ansehen.

Über Daniil Trifonov: Der russische Pianist Daniil Trifonow wurde 1991 in Nischni Nowgorod geboren und begann schon mit fünf Jahren, Klavier zu spielen. Bald schon gewann er mehrere prestigeträchtige Wettbewerbe, allen voran den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb 2011, bei dem er mit dem "Grand Prix" ausgezeichnet wurde. Schon 2010 erschienen Aufnahmen von Frédéric-Chopin-Stücken, 2011 folgten zwei weitere Chopin-Alben. Trifonow erhielt verschiedene Stipendien und spielte mit zahlreichen Orchestern, darunter die New Yorker Philharmoniker, die Berliner Philharmoniker und das Russische Nationalorchester. Nebenbei komponierte Trifonow auch eigene Stücke und nahm 2015 seine fünfsätzige Suite Rachmaniana als "Rachmaninov Variations" für die Deutsche Grammophon auf. Mit seinem Franz-Liszt-Album Transcendental kam er 2016 sogar auf Platz 42 der deutschen Charts.

Als Teenager holte sich Daniil Trifonov durch Rachmaninoff-Aufnahmen so manche Lektion, die jetzt auch in die künstlerische Arbeit an seinem jüngsten Projekt für Deutsche Grammophon einfloss. »Destination Rachmaninov – Departure« ist das erste von zwei Alben mit Trifonovs Zyklus der Klavierkonzerte des großen russischen Komponisten.

Das Programm der neuen Aufnahme, die am 12. Oktober 2018 erscheint, enthält die Konzerte Nr. 2 und 4 sowie Rachmaninoffs Transkription für Soloklavier von drei Sätzen aus Bachs Partita für Violine in E-Dur. Zusammen mit dem zweiten Album, Destination Rachmaninov – Arrival (Veröffentlichung im Oktober 2019), dokumentiert die Aufnahme eine eindrucksvolle künstlerische Entdeckungsreise, begleitet vom Philadelphia Orchestra und seinem Musikdirektor Yannick Nézet-Séguin.

Über das Werk: Daniil Trifonov widerstand der Versuchung, die Werke Rachmaninoffs in sein Repertoire aufzunehmen – trotz seiner großen Liebe zur Musik des Komponisten. Erst wollte er sich sicher sein, ihre Herausforderungen meistern zu können. 2011, nach seinem Sieg beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau, war es soweit. Und nur zwei Jahre später feierten ihn die Kritiker für seine Interpretationen von Rachmaninoffs Variationen über ein Thema von Chopin und Variationen über ein Thema von Corelli. Trifonov wählte beide Werke für seine erste Studioaufnahme für Deutsche Grammophon. Als Hommage an den Komponisten schrieb er eigene Miniaturen, seine Rachmaniana, und krönte das Projekt mit der Rhapsodie über ein Thema von Paganini, aufgenommen mit dem Philadelphia Orchestra, das bekannt ist für seine langjährige enge Beziehung zu Rachmaninoff und dessen Musik. Drei Jahre sind seither vergangen.

Nun legt der Pianist Destination Rachmaninov – Departure vor und koppelt Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 2, das zu den populärsten Konzerten überhaupt zählt, mit dem Konzert Nr. 4. Im kommenden Jahr folgt Destination Rachmaninov – Arrival mit den Konzerten Nr. 1 und Nr. 3. Wiederum begleitet ihn das Philadelphia Orchestra.

»Ich merkte sofort, wie viel Respekt die Spieler des Philadelphia Orchestra Rachmaninoffs Musik entgegenbringen, wie gut sie sein Idiom kennen«, sagt Trifonov. »Es war eine wunderbare Idee, die vier Konzerte mit einem so großartigen Orchester einzuspielen.« Rachmaninoff würde ihm beipflichten. Vor dem Sowjetregime ins amerikanische Exil geflüchtet, schrieb er einem Freund in Moskau: »Die besten amerikanischen Orchester sind in Philadelphia (wo ich Aufnahmen mache) und in New York. Wer sie nicht gehört hat, weiß nicht, was ein Orchester ist.«

Das Konzert Nr. 4, das Rachmaninoff 1927 in Philadelphia zur Uraufführung brachte, stand immer im Schatten der vorangehenden Schwesterwerke. Mit seiner farbigen Harmonik und seinen kantigen Melodien sei es untypisch für Rachmaninoff, erklärt Trifonov, aber zugleich erstaunlich vorausweisend. »Es ist wohl mein Lieblingskonzert aus dieser Gruppe«, sagt er. »Die Behauptung, für Rachmaninoff sei die Zeit stehen geblieben, während sich die Welt um ihn herum veränderte, wird durch das Konzert Nr. 4 klar widerlegt. Es gibt so viele moderne Elemente darin, was die Orchestrierung und die jazzigen Akkorde im Klavierpart angeht. Die Eröffnung ist für mich wie eine Bahnfahrt. Sie beginnt mit diesem ungestümen rhythmischen Schwung, der zeigt, wie Rachmaninoff Musik als Emotion auffasste, als eine Kunst, die eine zeitliche, aber auch eine räumliche Dimension hat.«

Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 2 hingegen ist sehr populär, aber Trifonov legt Wert darauf, die Originalität des Werks zu betonen, das eher klassisch als romantisch sei. Das Stück, sagt er, sei nach einer Periode von drei Jahren entstanden, in denen der junge Komponist sehr wenig schrieb. Auf dieses Schweigen – eine Reaktion auf die bissigen Kritiken nach der katastrophalen Uraufführung seiner Ersten Symphonie im Jahr 1897 – folgte ein Ausbruch von Kreativität während des Sommers 1900. Der komplette Entwurf des Konzerts Nr. 2 war Ende August abgeschlossen, die Uraufführung des Werks fand im darauffolgenden Jahr mit Rachmaninoff als Solist statt.

»Man hat das Gefühl, all die Jahre, in denen Rachmaninoff nicht schreiben konnte, seien in das Zweite Konzert geflossen«, stellt Trifonov fest. »Der Aufbau ist im Vergleich mit seinen anderen Konzerten sehr einfach, die harmonischen Verhältnisse sind immer völlig klar. Das führt zu einem großen Dilemma. Rachmaninoff gilt für uns als spätromantischer Komponist, aber bei der Schlichtheit, die wir besonders in diesem Konzert finden, ist es schwierig, den Rhythmus und das Rubato zu handhaben. Der zweite Satz beispielsweise ist sehr romantisch, aber zugleich auch sehr ruhig. Man braucht so etwas wie einen gleichmäßig pulsierenden Rhythmus, fast wie in geistlicher Musik. Und im Finale, wo es eines der wenigen Beispiele für eine Fuge in Rachmaninoffs Schaffen gibt, ist der Rhythmus die treibende Kraft der Musik.«

Für Daniil Trifonov zeigt sich in der Polyphonie des Zweiten Konzerts Rachmaninoffs Affinität zur Musik von Johann Sebastian Bach. Rachmaninoff spielte Bachs Englische Suite Nr. 2 in a-Moll 1885 als zwölfjähriger Schüler am Moskauer Konservatorium und wurde in späteren Jahren sehr gelobt für die elegante Weise, in der er Bachs Kontrapunktik spielte.

Trifonovs neues Album betont diese Beziehung. Zwischen die beiden Klavierkonzerte setzt er Rachmaninoffs Transkriptionen für Soloklavier von Präludium, Gavotte und Gigue aus Bachs Partita für Violine in E-Dur. »Er würzte die Musik auf seine Weise«, sagt Trifonov. »In der Gavotte zum Beispiel verwendete er seine charakteristischen harmonischen Fortschreitungen, und er versah seine Transkriptionen mit Anspielungen auf Melodien im russischen Stil.«

Seit der Aufnahme der Rhapsodie über ein Thema von Paganini hat sich Daniil Trifonovs Beziehung zum Philadelphia Orchestra und Yannick Nézet-Séguin dank mehrerer Aufführungen von Rachmaninoffs Klavierkonzerten noch vertieft. Die Planung der Proben und Konzerte ließ Trifonov Zeit, die vielen Schichten der Musik zu durchdringen. Eine seltene Kombination von großer Kraft und einer gewissen Leichtigkeit des Anschlags mache das Spiel des Pianisten aus, sagt Nézet-Séguin. »Ich glaube, deshalb spielt Daniil diese Musik so gut. Er beherrscht beide Enden des Spektrums, und das ist ein Tribut an die Art und Weise, wie Rachmaninoff selbst seine Musik spielte. Man hat den Eindruck, dass Daniil die Musik komponiert, während er sie spielt. Jede unserer Aufführungen dieser Konzerte war anders, eine neue Geschichte vom ersten bis zum letzten Ton. Das inspirierte die Orchestermusiker. Sie verstanden, dass wir die Konzerte jedes Mal neu erschaffen, wenn wir sie mit Daniil spielen.«

Große Musiker, fügt der Dirigent hinzu, hätten die Fähigkeit, sich im Laufe der Zeit weiterzuentwickeln. Trifonov sei selbst unter den Besten herausragend. »Als ich ihn das erste Mal hörte, dachte ich, ›dieser Mann sagt jetzt schon mehr, als die meisten Pianisten. Aber ich ahne, dass er in fünf, zehn, zwanzig Jahren noch mehr zu sagen hat.‹ Unsere Beziehung ist von gegenseitigem Vertrauen getragen, das freut mich. Daniil spürt, dass er sich so ausdrücken kann, wie er möchte; man sieht das, wenn er spielt. Und mir erlaubt es, etwas zu ... ich will nicht sagen, etwas ›hervorzurufen‹, aber in einer Phrase etwas anzuregen, das er dann aufgreift.«

Rachmaninoff spielte erstmals 1913 mit dem Philadelphia Orchestra und dessen damaligem Musikdirektor Leopold Stokowski, und zwar als Solist in seinem eigenen Klavierkonzert Nr. 3. Bis zu seinem Tod 30 Jahre später kehrte er noch oft als Pianist und Dirigent zu diesem Ensemble zurück und entwickelte dabei eine enge Beziehung zu den Musikern. Sie ist tief in der Erinnerung des Orchesters verankert. »Wir beginnen eine Rachmaninoff-Probe, und schon herrscht eine besondere Atmosphäre«, sagt Nézet-Séguin. »Es ist eine Mischung von Tradition, Stolz, Verständnis, Qualität. Der Klang des Philadelphia Orchestra entspricht dem ungezwungenen Geist von Rachmaninoffs Musik. Man kann sie nicht aufführen, wenn man versucht, alles in ein enges Raster zu pressen; sie muss atmen.«

Destination Rachmaninov – Departure bietet einen neuen Blick auf die Werke, fern vorgefasster Urteile. Destination Rachmaninov – Arrival, das ein Jahr später erscheint, beendet Daniil Trifonovs Entdeckungsreise. »Rachmaninoff hörte nie auf, nach neuen Ideen zu suchen in einer Gattung, die er so meisterhaft beherrschte. Er wollte sie durch seine Konzerte bereichern«, sagt der Pianist. »Eigentlich hat die Reise kein Ende. Es ist ein ständiges Forschen.«

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Mit Material vonPure Online