Serafimowka ist ein besonderes Internat mitten in der russischen Provinz. Die 50 Jungen, die hier zur Schule gehen, haben alle eine kriminelle Vergangenheit. Jeden Morgen um 6.45 Uhr startet der Drill. Bis 21 Uhr heißt es unter anderem: Sport, Schulunterricht, Küchendienst. Militärische Härte, eiserne Disziplin und pausenlose Beschäftigung soll aus kriminellen Jugendlichen ordentliche Bürger Russlands machen und sie auf ein eigenständiges Leben außerhalb des Internats vorbereiten.
Die Dokumentation von Filmemacher Niko Karasek beleuchtet den harten Alltag in der Jugendhaft, aber auch die Aufmerksamkeit und Zuwendung durch ihre Erzieher, die viele Jungs hier nach einer Kindheit ohne elterliche Geborgenheit zum ersten Mal erfahren. ntv zeigt „Zwischen Knast und Kinderzimmer – Jugendhaft in Russland“ am 25. März um 22:10 Uhr in deutscher Erstausstrahlung.
Leben im Gleichschritt, militärischer Drill und Disziplin. In Russlands Umerziehungsheim Serafimowka sollen kriminelle Jugendliche wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Mitten im Nirgendwo der russischen Provinz, umgeben von hohen Mauern, sitzen minderjährige Diebe, Gangmitglieder und sogar Mörder. Kleine Jungs mit großen kriminellen Karrieren. Fast alle stammen aus prekären Verhältnissen, ihre Eltern sind alkohol- oder drogenabhängig, sitzen selbst im Gefängnis oder leben nicht mehr. Trotz eng getaktetem Tagesablauf und wenig Raum für eigene Gedanken, Interessen und Besitztümer, bietet Serafimowka für kriminelle Jugendliche mehr Perspektive als ein Erwachsenen-Gefängnis. Im Fokus des alltäglichen Lebens stehen Schulbildung, Sport, Handwerk und Haushaltstätigkeiten zur Vorbereitung auf ein geregeltes Leben in Freiheit.
Der 15-jährige Daniil ist seit zweieinhalb Jahren dort: „Wenn ich jetzt draußen wäre, wo ich nur abgehangen habe, nicht gelernt habe, dann würde ich gar nichts auf die Reihe kriegen. Da wäre ich wahrscheinlich im Kinderheim, vielleicht bald im richtigen Gefängnis. Und hier lerne ich zumindest, mit dem Leben klarzukommen.“ Als einer der Jungs, die am längsten in Serafimowka sind, ist er mittlerweile auch als Schulsprecher für die anderen Jungs da: „Wenn es nicht ordentlich ist oder laut, wenn sich jemand prügelt, dann greife ich ein. Ich bin Schulsprecher, ich rede mit ihnen.“ In wenigen Monaten wird Daniil entlassen. Danach will er, wie die meisten Jungs hier, seiner Mutter helfen: „Wenn ich rauskomme, will ich erstmal irgendeine Arbeit suchen, um meinen Eltern zu helfen. Meine Mama sitzt im Knast, ich muss ihr irgendwie helfen, Geld schicken und sowas.“ Sein langfristiges Ziel: Architekt werden. Jeder dritte Abgänger arbeitet später beim russischen Militär. Regelmäßig sind Offiziere zu Besuch in der Einrichtung um die Jungen anzuwerben.
Doch die Dokumentation zeigt auch eine andere Seite von Serafimowka: Viele Jungs, die hier ankommen, sind unterernährt, verschüchtert und in Gedanken stets bei ihren Müttern. Zu den Lehrerinnen, Erzieherinnen und Köchinnen in der Anstalt bauen sie oft sehr enge Beziehungen auf. Die Angestellten werden zu Ersatzmüttern, die das Selbstbewusstsein der Jungs aufbauen, sie in ihren Fähigkeiten bestärken und sie Nähe spüren lassen. Sofia Wachitowa, Erzieherin, erzählt: „Manchmal sagen sie mir ‚Hallo Mutter‘, wenn ich zur Schule komme und sie auf dem Hof Sport machen. Dann sagen sie: ‚Hallo Mama!“ oder ‚Guten Tag, Mutter!‘ das kommt schon vor.“ Sie arbeitet trotz ihres Rentenalters weiter in Serafimowka, da sie ihre Jungs schon im Urlaub zu sehr vermisst. Florida Garejewa, Lehrerin, sieht keine großen Unterschiede zu Kindern in normalen Schulen. Nur, dass die Jungs hier keine Liebe, Wärme, Sorge und Aufmerksamkeit kennen. Laut Schuldirektor Raschit Adnagulow schaffen es 70 bis 80 Prozent der Jungs nach Serafimowka ein geordnetes Leben zu führen.
„Zwischen Knast und Kinderzimmer – Jugendhaft in Russland“ läuft am 25. März um 22:10 Uhr bei ntv. Zudem wird die Dokumentation auch bei TVNOW auf Abruf verfügbar sein.