Er ist einer der prägnantesten Regisseure in Hollywood. Auf seine Kappe gehen Filme wie Fight Club, Alien 3, Panic Room und The Social Network. Jetzt hat er sich an die Verfilmung von Verblendung gewagt. FILM.TV Filmexperte Marcus Fliegel hat ihn zu einem exklusiven Interview getroffen.
Marcus Fliegel: Wie sind sie zu dem Projekt gekommen ? Haben sie das Buch selbst gelesen oder hat es ihnen jemand empfohlen, der dachte, das wäre eine passende Geschichte für sie ?
David Fincher: Man hat mir 2005 oder 2006 die englische Version seines ersten Buchs. Ich habe es damals aber nicht gelesen, weil ich nicht die Zeit hatte. Es waren 600 Seiten und ich mußte gerade einen Film fertigstellen. Daraufhin hat die Produzentin, die mir das Buch geschickt hatte, mir die Geschichte erzählt. Danach sagte ich ihr: "Niemand in Hollywood wird dir das Geld geben, dass du brauchst, um den Film zu machen." Ich hab mich geirrt. 5 Jahre später brachte Amy Pascal, die Chefin von Columbia und Sony Pictures dasselbe Buch und sagte: ""Wir wollen es immer noch machen, und wir wollen es nicht verwässern, wir wollen es nicht vereinfachen. Wir glauben es gibt einen Markt für Filme mit hoher Altersfreigabe für Erwachsene. Wir haben damit kein Problem, wir lassen die Würfel rollen". Daraufhin habe ich das Buch gelesen und war schockiert. Ich konnte mir nicht vorstellen, welche 300 Seiten sie rauskürzen wollten. Aber sie sagten mir dass Steven Zaillian ("American Gangster") das Drehbuch schreibt, also hab ich gewartet, das Drehbuch gelesen und dachte, dass könnte ein großartiger Film werden.
Marcus Fliegel: Das Buch behandelt viele Themen wie Geschichte, Gewalt gegen Frauen, Religion und vieles mehr. Gab es etwas, dass sie besonders gereizt hat ?
David Fincher: Ich mochte die Zusammenstellung der Hauptfiguren, dieses Team, diese Partnerschaft . Wie Larsson darüber schreibt, dass Frauen und Männer zusammenarbeiten ist sehr modern. Ich habe alte und junge Cops gesehen, weiß und schwarze Cops, aber den Journalisten im mittleren Alter und die junge Hackerin hatte ich noch nicht gesehen.
Marcus Fliegel: Der Film ist zweieinhalb Stunden lang, aber Christopher Plummer hat gesagt, dass trotzdem noch viel herausgeschnitten wurde, sie haben mehr gedreht als im Film vorkommt.....
David Fincher: Ich glaube es gibt zwei Szenen mit Christopher, die geschnitten wurden, aber das sollte ihn nicht ärgern, denn darin lag er im Bett mit einer Sauerstoffmaske und schlief die meiste Zeit. Die erste Schnittfassung war etwa 3:07 Stunden und es war ziemlich klar, dass 2:33 Stunden besser. Wir haben es also verdichtet, einiges nachgedreht und dabei z.B. aus drei Szenen eine gemacht.
Marcus Fliegel: In Deutschland war die schwedische Fassung sehr beliebt. Haben sie die gesehen oder sind sie dem ausgewichen ?
David Fincher: Nein ich bin nicht ausgewichen. Ich habe den Film auf DVD gesehen, noch bevor er in den USA ins Kino kam. Ich fand aber es gab genug Abstand zwischen dem Film, den ich im Kopf hatte und dem den es schon gab.
Marcus Fliegel: Am Ende ihres Films gibt es eine Änderung beim Charakter von Lisbeth Salander. Können sie verstehen, wenn Fans das nicht gut finden, weil sie dabei etwas schwächer, etwas weicher erscheint ?
David Fincher: Ich sehe sie nicht als weich. Ich sah das Drama der beiden. Er (Blomkvist) ist vor einer schwierigen Phase in seinem Leben weggelaufen und sie bietet ihm einen Rückweg an. Außerdem zeigt sie ihm das wahrhaft Böse, das Männer anrichten können und er hilft ihr auch irgendwie.... Es gibt ein schwedisches Sprichwort, das wir auf dem US-Poster verwenden: "Was unter dem Schnee liegt, zeigt sich wenn es taut". Damit sind nicht nur Leichen im Keller gemeint, sondern auch ein Mädchen, dass sich selbst keine Intimität erlaubt aus Angst, verletzt zu werden. Dann findet sie jemand, der in ihr das Gefühl des Vertrauens auslöst, oder bei dem sie bereit ist wieder etwas zu riskieren. Wenn es eine Chance gab, dass ihr Treffen die beiden ändert, dann wollten wir das erzählen. Aber ob nun weich oder hart, bad ass oder kick ass - jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung.