Die Story zu "Jud Süss - Film Ohne Gewissen"
Berlin 1939. Der mittelmäßig erfolgreiche, aus Österreich stammende Schauspieler Ferdinand Marian bekommt direkt von Joseph Goebbels die Rolle des -Jud Süß- in dem gleichnamigen NS-Propagandafilm angeboten. Die Regie soll Veit Harlan übernehmen. Eine einmalige Karrierechance für Marian. Hin- und hergerissen weigert er sich zunächst, vor allem wegen der Einwände seiner Frau Anna (MARTINA GEDECK) und seiner Befürchtung, danach auf jüdische Rollen festgelegt zu werden. Doch nachdem Minister Goebbels (MORITZ BLEIBTREU) immer stärkeren Druck auf ihn ausübt, willigt er ein. Marian versucht, sich und seiner Frau einzureden, er könne die Rolle so spielen, dass der Titel-Bösewicht zum Sympathieträger würde. Doch selbst diese fromme Absicht macht sich der Film geschickt zunutze – sie steigert am Ende sogar noch dessen Wirkung auf die Massen. Marians Verstrickung in die Folgen dieser genau geplanten filmischen Propagandawaffe ist nicht mehr aufzuhalten. Schon während der Dreharbeiten spitzt sich die Situation in seinem privaten Umfeld zu. Durch seine zunehmende Veränderung abgestoßen, entfremdet sich seine Frau von ihm. Im Gartenhaus der Familie hat zudem ein früherer Kollege von Marian, der jüdische Schauspieler Adolf Wilhelm Deutscher (HERIBERT SASSE) Unterschlupf gefunden. Das Dienstmädchen Britta (ANNA UNTERBERGER) verrät dies ihrem Freund, dem SA-Mann Lutz (ROBERT STADLOBER), der Deutscher verhaftet und deportieren lässt. Marians persönliche Tragödie nimmt ihren Lauf. Der nationale und internationale Erfolg von JUD SÜSS, der bei der Festivalpremiere in Venedig auch einen italienischen Filmkritiker namens Michelangelo Antonioni begeistert, ist da nur ein kurzes, rauschhaftes Intermezzo. Zunehmend durchschaut der neue NS-Superstar die gesellschaftliche Wirkung seines Films und den verbrecherischen Charakter des Regimes, das seinen Freund Deutscher ins KZ steckt. Seine Alkoholexzesse und Seitensprünge sind verzweifelte Ablenkungsversuche – durch die er das Missfallen Goebbels’ erregt. Um ihn unter Kontrolle zu bringen, lässt der Minister Anna deportieren. Doch das beschleunigt Marians Niedergang nur noch, auch seine tschechische Geliebte Vlasta (ERIKA MAROSZÁN) ist für ihn kein Halt. Vom größten Erfolgsfilm seines Lebens will er nichts mehr wissen. Nach Kriegsende erlebt Marian, wie sich die anderen am Film beteiligten Künstler reinwaschen, allen voran Regisseur Veit Harlan (JUSTUS VON DOHNÁNYI). Bei einem Sommerfest in München begegnet er dem KZ-Überlebenden Deutscher wieder, der ihm von Annas Tod berichtet. Als er auch noch mit ansehen muss, wie Vlasta mit einem US-Soldaten intim wird, bricht er zusammen. Er setzt sich ins Auto für eine Fahrt ohne Wiederkehr.
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Hintergrund
Emil Jannings, Gustav Gründgens, Paul Dahlke – sie waren nur einige der Schauspieler, die dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, einen Korb gaben. Der suchte 1939 einen Hauptdarsteller für die Titelrolle in JUD SÜSS – einem seiner wichtigsten Prestigeprojekte. Doch keiner seiner Stars wollte sich für eine derart heikle Rolle hergeben. Inspiriert war das Drehbuch von Veit Harlan und Eberhard Wolfgang Möller (nach einer Vorlage von Ludwig Metzger) von einer realen Geschichte: Der Jude Joseph Süß Oppenheimer, Jud Süß genannt, fungierte im 18. Jahrhundert als Finanzberater des württembergischen Herzogs Karl Alexander. Mit innovativen Maßnahmen erschloss er dem in Geldnöten befindlichen Landesherren neue Einnahmequellen und entmachtete dabei die konservative Bürokratie. So avancierte er zu einem der einflussreichsten Männer des Landes – ausgestattet mit Privilegien, von denen die meisten der weitgehend rechtlosen Juden in Deutschland nicht einmal träumen konnten. Doch nach dem Tod seines Auftraggebers und Gönners wurde er von mächtigen Feinden unter anderem wegen Hochverrats angeklagt und am 4. Februar 1738 in Stuttgart hingerichtet. Das Drehbuch der NS-Filmer macht aus dem Stoff ein rassistisches Spektakel – -den ersten wirklich antisemitischen Film-, wie Goebbels nach der Lektüre in seinem Tagebuch notierte. Im Film überredet der mephistophelisch gezeichnete Oppenheimer den Herzog, sein Volk durch Zölle auszubeuten, um damit den luxuriösen Hofstaat zu finanzieren. Als Bösewicht entpuppt sich der Bankier vor allem in einem reißerischen Kolportage-Plot: So stellt er der mit -arischen- Attributen ausgestatteten Dorothea nach. Während er ihren Mann foltern lässt, vergewaltigt er die junge Frau, die darauf hin Selbstmord begeht. Nach dem Tod des Herzogs wird er wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Christin exekutiert. Auch Hauptdarsteller Ferdinand Marian weigerte sich zunächst, diese Rolle zu übernehmen, doch Goebbels überzeugte ihn -mit einigem Nachhelfen- (Goebbels-Tagebücher). Und bereits bei den Probeaufnahmen fand der Minister seinen Kandidaten -ausgezeichnet-. Marian versuchte angeblich, der Figur des Oppenheimer sympathische Züge zu verleihen, um so die Intentionen von Goebbels und Regisseur Veit Harlan zu konterkarieren. Immerhin scheinen das die Reaktionen des Publikums indirekt zu bestätigen: Bei Aufführungen erhielt der Star stehende Ovationen; seine Anhängerinnen schrieben ihm angeblich körbeweise Liebesbriefe. Doch auch sein Auftraggeber war begeistert: -Ein ganz großer, genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können.- JUD SÜSS erlebte seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig am 5. September 1940; die Deutschland-Premiere fand am 24. September im Berliner Ufa-Palast am Zoo statt. Im Lauf der Jahre sahen sich knapp 20 Millionen in Europa den Film an. Die außerhalb der Reichsgrenzen stationierten Soldaten erhielten Sondervorstellungen, ebenso – auf expliziten Wunsch Heinrich Himmlers – die SS-Einheiten und Wachmannschaften. Beim Auschwitz-Prozess sagte der SS-Rottenführer Stefan Baretzki aus, dass jüdische Häftlinge unter dem Eindruck des Films misshandelt wurden. Auch der Sicherheitsdienst SD stellte eine aufpeitschende Wirkung fest: -Während der Vorführung des Films kam es zu offenen Demonstrationen und Ausrufen gegen das Judentum.- Nach dem Krieg fielen die Konsequenzen für die Beteiligten unterschiedlich aus: Regisseur und Co-Autor Veit Harlan wurde unter anderem wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Da ihm ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nicht nachzuweisen war, wurde er freigesprochen. Heinrich George, der Darsteller des Herzogs Karl Alexander, wurde wegen seiner Mitwirkung an JUD SÜSS und anderen Propagandafilmen von den Sowjets inhaftiert. 1946 starb er im Speziallager Nr. 7, dem ehemaligen KZ Sachsenhausen. Sein Kollege Werner Krauß, der in dem Film vier verschiedene jüdische Charaktere spielte, erhielt vorübergehend Berufsverbot und wurde nach einem langwierigen Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestuft. Hauptdarsteller Marian erhielt Berufsverbot und kam 1946 angetrunken bei einem Autounfall ums Leben. Ob er aus Verzweiflung Selbstmord beging, ist umstritten, da Marian von der bevorstehenden Aufhebung des Berufsverbotes wusste. Der Film selbst wurde von den Alliierten jahrelang verboten. Heute ist in Deutschland eine öffentliche Aufführung nur mit Genehmigung des Rechteinhabers, der Friedrich-Wilhelm- Murnau-Stiftung, möglich – und dies nur mit einem begleitenden Kommentar und weiteren Auflagen. Ein Vertrieb ist verboten. In Österreich und der Schweiz indes ist JUD SÜSS frei verfügbar. Und noch immer wird er für antisemitische Propaganda eingesetzt. So zeigten im Juli 2008 ungarische Rechtsradikale den Film vor einem zahlenden Publikum, das sich über ein entsprechendes Webportal angemeldet hatte. Erst als Politiker der liberalen Partei SZDSZ Anzeige wegen Volksverhetzung einreichten, schritt die Polizei ein.