Die Schließung der deutschen Kinos dauert nunmehr seit fünfeinhalb Wochen an. Inzwischen hat sich die Lage der insgesamt 1.734 Lichtspielhäuser dramatisch zugespitzt, wie aus einer internen Mitgliederumfrage des HDF Kino vom 15. April hervorgeht (Mitgliederbefragung des HDF, repräsentative Stichprobe).
Dabei gaben bereits erste Betriebe an, dass sie ohne weitere Hilfen schon in den kommenden vier Wochen Insolvenz anmelden müssten. 58 % der Kinos, die sich auf die Umfrage zurückmeldeten, schätzten, dass sie nur noch zwei-drei Monate durchhalten können. Diese Angaben machen deutlich, dass die deutschen Kinos spätestens jetzt in der akuten existenziellen Bedrohung angekommen sind und Filmtheater im gesamten Spektrum der deutschen Kinolandschaft - von groß bis klein - um ihren Fortbestand bangen.
Zwar geben dreiviertel der Betriebe, die an der Umfrage teilgenommen haben, an, bereits erste Zahlungen in Form von Kurzarbeitergeld, Soforthilfen oder Krediten erhalten zu haben, dennoch fangen diese Zahlungen die bereits Anfang April ermittelten weiter laufenden Kosten von 40 Millionen Euro für den Fall einer dreimonatigen Schließung nicht im Ansatz auf. Zumal es für Kinos mit mehr als sieben Sälen weiterhin gar keine direkten Zuschüsse gibt. Diese Häuser machen aber ungefähr die Hälfte des Marktes aus.
"Es ist erfreulich, dass es Kinos gibt, die bereits erste Unterstützungszahlungen erhalten haben", sagt Christine Berg, Vorstand HDF KINO e.V. "Tatsächlich ist dies aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wenn nicht umgehend andere Förderdimensionen und -instrumente für ausnahmslos alle Kinos in Deutschland bereitgestellt werden, ist der immense Schaden für die Kulturinstitution Kino kaum noch abzuwenden.
Bereits seit Anfang April liegt die Forderung seitens der SPIO nach einem Stabilitätsfonds in Höhe von 563 Millionen Euro für die gesamte Filmwirtschaft auf dem Tisch. Hierin ist auch der allein für die Kinos auf 186 Millionen geschätzte Förderbedarf enthalten. Wenn der deutschen Kinolandschaft nicht in Kürze das Licht ausgehen soll und unsere flächendeckende kulturelle Infrastruktur ernsthaft beschädigt werden soll, benötigen wir jetzt die entsprechende Unterstützung."
Angesichts dieser grundlegenden Bedrohung der Branche hoffen die Kinos darauf, dass die sich abzeichnende Corona-Exit-Strategie auch auf ihre mögliche Wiedereröffnung Anwendung findet. Daher hat die Kinowirtschaft bereits mit allen Beteiligten einen umfangreichen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der unter Einhaltung höchster Sicherheits- und Schutzmaßnahmen für Gäste und Mitarbeiter die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ermöglichen soll.
Dieser Katalog sieht unter anderem folgende Regelungen vor:
- Einsatz von Schutzscheiben an Kassen und Theken sowie Bereitstellen von Schutzmasken und Handschuhe für Mitarbeiter
- Steigerung der Desinfektionsmaßnahmen z.B. durch Verkürzung von Reinigungsintervallen
- Minimierung des Kontakts z.B. durch Priorisierung des Online-Ticketverkaufs, Verstärkung des kontaktlosen Zahlens und Verzicht auf den Abriss der Kinokarten am Einlass
- Einhalten von Abstandregeln z.B. durch entsprechende Markierungen und Absperrbänder
- Beschränkung der Saalauslastung mit freibleibenden Sitzen zwischen einzelnen Buchungen
- Reduzierung der Personenfrequenz im Foyer durch zeitversetzten Filmbeginn und Auslass durch die Notausgänge
- Regelmäßiges Lüften der Säle und des Foyerbereichs
- Sensibilisierung des Publikums zur Einhaltung der Hygiene z.B. durch entsprechende Aushänge in den sanitären Anlagen
Auf Basis dieses Katalogs, der der Politik gestern vorgelegt wurde, hofft die Kinowirtschaft darauf, mit allen Beteiligten in Kürze ein konkretes Szenario entwickeln zu können, das sowohl der Priorität höchster Sicherheit für Gäste und Mitarbeiter als auch der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer baldigen Wiederaufnahme des Kinobetriebs Rechnung trägt.
"Wir hoffen, mit den politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Länderebene auf Basis unseres Maßnahmenkatalogs sehr zügig in den Dialog über einen zeitnahen und einheitlichen Fahrplan der Wiedereröffnung einsteigen zu können," sagt Christine Berg. "Wie für alle anderen schwer betroffenen Branchen und Institutionen, seien es Handel, Gastronomie, Tourismus oder die Kultur insgesamt, benötigen wir eine Perspektive, die uns in Verbindung mit den zwingend benötigten Finanzhilfen eine Aussicht auf Rettung unserer Branche aufzeigt. Und auch unsere Gäste benötigen einen Ausblick, wann sie in diesen schwierigen Zeiten wieder in die Kinos als Ort von Kunst, Kultur und Entspannung zurückkehren."
Der HDF KINO e.V. ist die zentrale Interessensgemeinschaft der Kinobetreiber in Deutschland und vertritt deren Belange gegenüber Politik und Wirtschaft. Mit mehr als 600 Mitgliedsunternehmen, die etwa 80 Prozent der deutschen Leinwände bespielen, repräsentieren wir ein breites Spektrum an Betriebstypen - von kleinen Lichtspielhäusern auf dem Land über Filmkunsttheater und mittelständische Kinos bis hin zu Multiplexen. Unser Ziel ist es, die Vielfalt und Qualität der deutschen Kinolandschaft zu stärken und Filmen eine optimale Auswertung auf der großen Leinwand zu ermöglichen.